Vorwort zur 6. Auflage
Bei einer 6. Auflage ist es – anders als bei der Erstauflage 1987 – nicht mehr geboten, die Bedeutung der hier behandelten Thematik, die Konzeption dieser Darstellung (samt ihrer Grenzen) und die Motivation von Herausgeber und Autoren im Vorwort zu erläutern; insoweit sei auf den stark Überarbeiteten § 1 verwiesen. Nur die wichtigsten Änderungen in sachlicher und personeller Hinsicht seien hier kurz angesprochen.
1. Die Änderungen inhaltlicher Art sind primär durch die weiterhin lebhafte Tätigkeit der nationalen und Übernationalen Gesetzgeber bestimmt; doch auch die kontinuierliche Spruchtätigkeit der Gerichte war einzuarbeiten. Wiederholt war auch ein Wechsel des Bearbeiters Anlass für eine durchgreifende Neubearbeitung.
a) Im 1. Teil ist das 1. Kapitel „Bereich des Wirtschaftsstrafrechts“ (§§ 1–9) umstrukturiert worden.
– Die bisherigen §§ 1–3 wurden unter Beibehaltung der Substanz in einem erweiterten § 1 „Einführender Überblick“ zusammengefasst. Dem folgt als § 2 eine Neubearbeitung der Thematik „Zur Wirtschaftskriminalität“ (früher § 7). Dadurch wurde Raum geschaffen, den zunehmenden Herausforderungen durch die grenzüberschreitende Wirtschaftskriminalität besser gerecht zu werden. Im Anschluss an die Neubearbeitung des „Internationalen Strafrechts“ (§ 4) ist das „Europarecht“ (§ 5 alt) auf zwei Paragrafen aufgeteilt worden: Der inhaltlich erweiterte § 5 ist dem Strafrecht der internationalen Organisationen gewidmet, während das Strafrecht der EU nun Gegenstand des erweiterten § 6 ist. Neu ist der § 7 „Ausländisches Wirtschaftsstrafrecht“, der einen Einstieg in das Wirtschaftsstrafrecht ausgewählter Nachbarstaaten und wichtiger Handelspartner bieten will. Der hochaktuelle Bereich der Rechtshilfe (jetzt § 8) ist auf den neuesten Stand gebracht.
– Der das (nun) 2. und 3. Kapitel des Einführungsteils (§§ 10-21) betreffende Wunsch nach einem „zusätzlichen allgemeinen Kapitel zum Ordnungswidrigkeitenrecht“ (Satzger/Suchy, JZ 2012, 307) ließ sich zwar im Rahmen der vorhandenen Gliederung nicht verwirklichen. Jedoch ist dem berechtigten Anliegen nach einer „Stärkung“ des Rechts der Ordnungswidrigkeiten durch zahlreiche Einzelmaßnahmen Rechnung getragen worden; insbesondere wurde der bislang sehr knappe § 14 „Verfahren in Ordnungswidrigkeiten“ deutlich erweitert. Zudem wurden die bisher in § 30 F platzierten Ausführungen über die Verbandgeldbuße in § 21 C vorgezogen. Zur – ebenfalls angeregten – Streichung bzw. weitgehenden Kürzung dieses Bereichs (Stohrer, Die Justiz 2011, 172) konnten wir uns indessen nicht entschließen, zumal an anderer Stelle (Chr. Schröder, Der Bankpraktiker 2012, 388) diese Darstellung als „ausgesprochener Tipp“ bewertet wurde.
b) Auch im 2. und 3. Teil haben sich erhebliche Veränderungen vollzogen:
– Eingefügt wurde – entsprechend der Anregung von Bittmann (wistra 2011, 373 f.) – als neuer § 31 eine zusammenfassende Behandlung der bisher verstreut erörterten Thematik „Compliance“.
– Ein erweiterter § 32 enthält die Neubearbeitung des zentralen Themas „Untreue“ (bisher §§ 31, 32). Die Bereiche der „Kapitalbeschaffung“ (§§ 27, 28, 50) und der Publizität (§ 41) wurden neu geschrieben und dabei teilweise deutlich gestrafft.
– Durchgreifend überarbeitet wurden die Bereiche „Arbeitsschutz“ und „Betriebsverfassung“ (§§ 34, 35); auch die Themen Illegale Beschäftigung (§§ 36, 37) und Beitragsvorenthaltung (§ 38) erforderten eine intensive Überarbeitung.
– Die Thematik der Korruption (§ 53) hat im Zuge der Neubearbeitung eine deutliche Erweiterung erfahren.
– Das AWG 2013 hat eine Neufassung des Außenwirtschaftsrechts (§§ 15 C, 62, 73) erforderlich gemacht, während das Kartellrecht (§§ 15 D, 57) neben der 8. GWB-Novelle zahlreiche Neuerungen auf europäischer Ebene erfahren hat.
– Fortgesetzte gesetzliche Änderungen waren nicht nur im Steuerrecht (§§ 43-46, 15 A, B), sondern auch im Umweltrecht (§ 54), im Bereich der Datentechnik einschließlich Zahlungsverkehr (§§ 42, 49) und des Finanzwesens (§§ 66-69), des Verbraucherschutzes (besonders § 56) und des Gesundheitswesens (§ 72) einzuarbeiten.
c) Einen Schwerpunkt der Neuauflage bildet die Neubearbeitung des 4. Teils „Unternehmensbeendigung“ mit dem Ziel einer Straffung in Verbindung mit hoher Transparenz. Dabei war insbesondere der aktuellen Gesetzgebung zur Erleichterung der Unternehmenssanierung (ESUG) Rechnung zu tragen (besonders § 77). Dies hat für das ganze Insolvenzstrafrecht (§§ 75-88) nicht nur zu einer stark veränderten Gliederung geführt – so z.B. ist die Insolvenzverschleppung von § 84 nach § 80 „vorgerückt“ –, sondern auch zu vielfältigen inhaltlichen Änderungen.
2. a) Die bedeutsamste Veränderung im personellen Bereich ist bereits aus dem Titel ersichtlich: Klaus Bieneck, Mitautor seit der ersten Stunde sowie Mitherausgeber über 3 Auflagen, ist wenige Monate nach Erscheinen der 5. Auflage verstorben. Seiner Mitarbeit und Mitgestaltung sei hier nochmals mit großer Dankbarkeit gedacht. Wir haben versucht, die von ihm hinterlassene Lücke in seinem Sinne zu schließen.
Die Herausgeberschaft für diese Auflage hat – wie schon in den beiden ersten Auflagen – der Initiator des Werks wieder allein übernommen (unter Aufgabe der Bearbeitung von § 5 und § 41), wirkungsvoll unterstützt vom derzeitigen Leiter der Schwerpunktabteilungen für Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Stuttgart, OStA Dr. Hans Richter.
Außerdem sind Finanzpräsident a.D./RA Dr. Peter Bender und OStA Gernot Blessing aus persönlichen Gründen aus dem Autorenteam ausgeschieden. Der frühere Leiter der Wirtschaftsabteilungen der StA Stuttgart, OStA Wolfgang Schmid, hat nach seiner Pensionierung den Großteil seiner bisherigen Beiträge in jüngere Hände gelegt; nur § 56 „Produkthaftung“ und § 89 „Unternehmensnachfolge“ hat er auch für diese Auflage bearbeitet. Den Ausgeschiedenen gilt unser herzlicher Dank; was sie beigetragen haben, wirkt auch in den Neubearbeitungen fort.
b) Dieser Aderlass konnte zum einen dadurch ausgeglichen werden, dass einige bewährte Mitautoren zusätzliche „Lasten“ auf sich genommen haben.
– So haben RA Prof. Dr. Wolfgang Winkelbauer und RA Dr. Thorsten Alexander neben dem angestammten Thema „Verteidigung“ (§ 16) auch die Darstellung der Thematik „Compliance“ (§ 31 neu) und das Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollrecht (§§ 15 C, 62, 73; bisher Klaus Bieneck) übernommen.
– In Fortführung der bereits in der Vorauflage eingeleiteten Nachfolge von Klaus Bieneck verantwortet nun Hans Richter – unter Entlastung der bisherigen §§ 2–4 und 7 – nahezu das gesamte Insolvenzstrafrecht (§§ 75 ff.); allein die „Waren- und Kapitalbeschaffung in der Krise“ (§ 86, zuvor § 85) ist – neben den sonstigen Bereichen des Betrugs – in den bewährten Hunden von RiBGH a.D. Ulrich Hebenstreit verblieben.
– EStA Heiko Wagenpfeil hat zusätzlich zum Rechnungswesen (§§ 26 F, 40) die Bereiche Publizität (§ 41) und Kapitalbeschaffung (§§ 27, 28 teilweise, 50 A; bisher Wolfgang Schmid) neu bearbeitet.
– Von den bisher von Gernot Blessing betreuten Themen haben sich EStA Oliver Henzler des Arbeitsschutzrechts (§ 34) und OStA Andreas Thul des Betriebsverfassungsrechts (§ 35) angenommen, während LOStA Dr. Joachim Dittrich § 64 „Sicherstellung im Notfall“ weitergeführt hat.
c) Zum anderen konnten sechs neue Mitautor(inn)en für eine Mitwirkung gewonnen werden:
– Dank der Unterstützung von Prof. Dr. Ulrich Sieber sorgt der für das Wirtschaftsstrafrecht zuständige Referent des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg/Br., Rechtsanwalt Dr. Marc Engelhart, dafür, dass sich in den neu strukturierten §§ 4–7 wissenschaftlich fundierte Sachkunde mit praktischer Erfahrung verbindet.
– Im Bereich der Rechtshilfe (jetzt § 8) gewährleistet neben Frau Ltd. OStAin Sandra Bischoff der zuständige Referent im baden-württembergischen Justizministerium, EStA Dr. Alexander Nogrady, praxisnahe Aktualität.
– StA Dr. Johannes Fridrich hat sich neben der Neufassung des § 2 „Wirtschaftskriminalität“ der Fortführung des § 30 „Einstandspflichten“ angenommen (bisher Hans Richter bzw. Wolfgang Schmid).
– Frau RinLG Ilka Ludwig hat sowohl die Betreuung der Strohmann- und Scheingeschäfte (§ 29; bisher Wolfgang Schmid) als auch die Neubearbeitung der Korruption (§ 53; bisher Gernot Blessing) übernommen.
– Frau OStAin beim BGH Anke Hadamitzky gewährleistet, dass in das praktisch so wichtigen Thema „Untreue“ (§ 32 neu) die aktuelle Sichtweise der Revisionsinstanz direkt einfließen kann.
– OStA Dr. Alexander Retemeyer, Osnabrück, führt die bisher von Peter Bender bearbeiteten Bereiche der Subventionen (§ 52) und eines Teils des Abgabenrechts (§§ 15 B, 44 D, 45) weiter.
3. Unser Grundsatz, die Randnummern der Vorauflage möglichst beizubehalten und Ergänzungen mit Hilfsrandnummern zu versehen, ließ sich allerdings wiederum nur eingeschränkt durchführen. Vielfach war allein eine neue Zählung sinnvoll; Letzteres gilt besonders für den 4. Teil.
Das Werk insgesamt ist auf dem Stand von Anfang September 2014. Auch danach konnten im Rahmen der Drucklegung noch einzelne wichtige Neuerungen aufgenommen werden – bis hin zur Verschärfung der Voraussetzungen der Selbstanzeige im Steuerrecht und zum 49. Strafrechtsänderungsgesetz vom 21.1.2015.
Auch in dieser Auflage unverändert geblieben ist unsere Zielsetzung, den dynamischen und außerordentlich vielschichtigen Bereich des Wirtschaftsstrafrechts „aus der Praxis für die Praxis“ in einem übersichtlichen Rahmen darzustellen und dabei den einzelnen Bearbeitern viel Raum zur individuellen Gestaltung der jeweiligen Thematik zu lassen.
Die professionelle und engagierte Unterstützung durch das Lektorat im Verlag Dr. Otto Schmidt – in Person von Frau Renate Lorenz – verdient erneut dankbare Anerkennung. Besonders entlastend für die Autoren war, dass diesmal das Sachregister von Frau RAin Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch erstellt wurden; auch ihr gilt unser herzlicher Dank.
Zum Schluss ergeht wiederum die nachdrückliche Bitte an unsere Leser, uns weiterhin zu unterstützen durch Kritik und Hinweise auf Unzulänglichkeiten oder Verbesserungsmöglichkeiten.
Stuttgart, im Januar 2015                                     
Der Herausgeber im Namen aller Mitautoren